Das morsche Bildungssystem, oder: Bewegen wir uns im Kreis?

Von: Edge

Quelle: http://sirkenrobinson.com/skr/

In einer grundfestenerschütternden Rede vor der Royal Society for the Encouragement of Arts, Manifactures and Commerce, oder kurz RSA, hat Sir Ken Robinson weitreichende Kritik am momentanen Bildungssystem – mit Fokus auf den angelsächsischen Raum, aber weltweit gültig – geübt. In einer sensationell gut gemachten Whiteboard-Animation, die die RSA auf Youtube veröffentlicht hat (siehe ganz unten im Artikel), lässt sich diese Rede wunderbar nachvollziehen.

Doch wer ist Ken Robinson, und warum sollte man ihm zuhören? Der englische Wissenschaftler gehört zu den herausragendsten Akademikern, die sich mit dem Feld der Erziehung, Bildung und der Entfaltung von Kreativität beschäftigen – zu, unter anderem, einer zwölfjährigen Professur an der Universität Warwick kommt die Mitarbeit an  zahlreichen Regierungsinitiativen zum Thema der kreativen und ökonomischen Entwicklung im Vereinigten Königreich. Mit anderen Worten: Wenn so jemand spricht, lohnt es sich zuzuhören – also haben wir das gemacht.

Sein Argument – hier in Kürze zusammengefasst, und bei weitem nicht so eloquent ausgedrückt wie Robinson selbst – geht folgendermaßen: Das Rumgeheule und Rumgezerre um Reformen des Bildungssystems, sei es in England, Deutschland, Frankreich usw. usf., läuft schlicht und ergreifend ins Leere, denn keiner würde es schaffen, aus dem ewig sich gleich drehenden Gedankenkarussel auszusteigen und mal über den Tellerrand zu schauen (oder auch weniger sperrige wohlplatzierte Metapher zu bemühen). Denn: Unser momentanes Bildungssystem wurde vor über 150 Jahren während der intellektuellen Ära der Aufklärung und der öknomischen Ära der Industrialisierung entwickelt, zu einer Zeit also, als man laut Robinson ein bestimmtes Gedankenmodell des menschlichen Geists entwickelt hatte: die Zweifaltigkeit aus der Fähigkeit zur Schlussfolgerung sowie das Wissen über die römisch-griechische Klassik. Diese Zweifaltigkeit nannte man kurz die akademische Fähigkeit. Dieses Modell teilte die Menschen in akademische und nichtakademische Menschen, also in schlaue und dumme – so dass es heutzutage viele, eigentlich brilliante Menschen gibt, die sich selbst für dumm halten (allerdings: wie jeder aus dem eigenen Bekanntenkreis kennt, gibt es auch genug ziemlich hohle Menschen, die sich selbst als brilliante Nachfahren Einsteins sehen, aber das nur am Rande).

Robinson zufolge hat dies zu einer großen Plage geführt; eine Plage allerdings, die genauso fehlgeleitet wie rein erfunden ist: ADS/ADHS. Wohlgemerkt sagt er explizit nicht, dass es diese Krankheiten nicht gibt; doch die anscheinende massive Ausbreitung dieser existiert lediglich als tragische Fehleinschätzung, eine ärztlich-psychologische Modeerscheinung, hervorgerufen durch: ein veraltetes und der heutigen Zeit nicht mehr angepasstes Bildungssystem und dem oben erwähnten Geistesmodell aus der Aufklärungszeit. Als Folge werden viele der heutigen Kinder, und das hat bereits während meiner Kindheit in den Achtzigern begonnen, so routinemäßig mit Medikamenten vollgestopft wie die Mandeln rausoperiert werden. Kein Mensch fragt sich: „Hm, was ist heutzutage anders?“  Was ist denn der große Unterschied zu früher? Nun, Ihr kennt die Antwort sicher schon: Unsere Kinder leben in deiner Zeit, die wie nie zuvor in der gesamten Geschichte der Menschheit die Sinne aufregt, stimuliert und ablenkt, sie werden regelrecht bombadiert mit Informationen und Input! Und sollen sich dann im Vergleich endlangweiligen Kram in der Schule antun. Kein Mensch schafft den Gedankensprung zwischen der Tatsache dieser Informationsflut, und was dies bedeuten sollte für eine Reform unseres zunehmend miserablen Bildungsystems.

Hierzulande werden die Probleme noch zusätzlich durch die dreifach Trennung in Gymnasium (die gut gepflasterte Autobahn zum Erfolg – doch auch hier kann man wunderbar Unfälle bauen), Realschule (etwas löchrige, aber trotzdem beliebte Landstraße) und Hauptschule (zerbombter Hinterweg durch Taliban-Afghanistan) verschärft. Würze das Ganze, überspitzt formuliert, mit grassierendem Klassenhass und latentem Rassismus und es ist kein Wunder, weswegen unsere westliche Kultur peux à peux den Bach runtergeht (auch die europäische – wer schaut Dschungelcamp, hm?). Doch genug schwadroniert, wir schweifen ab.

Ken Robinson legt noch weitere schlüssige Argumente dar, zum Thema der industrialisierten Bildung, zum Thema divergentes Denken (also zu einer Fragestellung viele verschiedene Antworten zu sehen, und sie aus ungewöhnlichen Blickwinkeln zu betrachten) und vieles mehr. Er zeigt auf, in welche Richtung man eher denken könnte und sollte, um das rostige Schiff unseres Schlusystems umzulenken, auf Kurs zu bringen und ihm einen neuen Anstrich zu verpassen; wir laden jeden ein, sich zehn Minuten für dieses Video Zeit zu nehmen. Und es werden auch keine weiteren sperrigen Metapher an den Haaren herbeigezogen – Hand aufs Herz!

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