Archiv der Kategorie: Networld

Instant Phrasendresching

Von:  Skirter

Lust, mal ohne jegliche Anstrengung so richtig schlau zu klingen, ohne auch nur das geringste auszusagen? So wahnsinnig eloquent, dass keiner, nicht mal man selber es versteht – es jedoch niemand zugeben würde, weil es sich ja irgendwie so gebildet anhört? Dann checkt mal diese geniale Phrasendreschmaschine bei den Luftpiraten aus! Entweder in Sekundenschnelle einen ganzen Satz zufallsgenerieren lassen und einzelne Komponenten austauschen oder per Dropdown-Menü diejenigen Schlagworte aussuchen, die in dem Satz vorkommen sollen. Von „Prozessen“ über „defitional“ bis hin zu „intervallskalieren“ lässt die Phrasendreschmaschine keine Wünsche offen.  Beratersprech lässt grüßen.

Phrasen dreschen per Drop-Down-Menü

Ein paar Beispiele aus dem Zufallsgenerator:

  • Wir vernetzen unsere interdisziplinären Optionen, um die kritische Masse der höchst ehrgeizigen Angebote zu maximieren.
  • Wir stimulieren unsere anspruchsvollen Analysen, um das nutzbare Moment der neuartigen Leistungspotenziale auszuwerten.
  • Wir konzipieren unsere anspruchsvollen Human Resources, um den Paradigmenwechsel der datengestützten Strukturen zu bündeln.

Und nun mache ich einen Zufallssatz und tausche immer nur den zweiten und den letzten Teil aus:

  • Wir realisieren unsere belastbaren Synergiekomponenten, um die Rückmeldungen der funktionalen Motivationsfaktoren zu professionalisieren.
  • Wir realisieren unsere State-of-the-Art Synergiekomponenten, um die Rückmeldungen der funktionalen Motivationsfaktoren zu wagen.
  • Wir realisieren unsere interdisziplinären Synergiekomponenten, um die Rückmeldungen der funktionalen Motivationsfaktoren auszuschöpfen.

Ihr seht – die Sätze scheinen auf mysteriös-seriöse Weise Sinn zu ergeben.  Viel Spaß beim Phrasendresching!


Google und Twitter gegen Mubaraks Infosperre

Von: Skirter

http://www.flickr.com/photos/spierzchala/4404762903/

Foto: Stephen Pierzchala / flickr

Ich muss sagen, ich bin beeindruckt: Google hat sich mit Twitter zusammengetan, um den Ägyptern per Telefon einen Kanal ins Internet zu öffnen. Damit bezieht ein Konzern öffentlich Stellung gegen eine Regierung. Natürlich kann man sagen, die Sympathien seien klar verteilt und das Ganze eine willkommene Gelegenheit für Google, sich hier PR-trächtig als Helden aufzuspielen – nichtdestotrotz ist die Geschichte eine super Sache.

Der Dienst heißt Tweeting-By-Phone: Die Ägypter können ab sofort eine internationale Nummer anrufen und dort eine Voicemail hinterlassen, die sofort mit #egypt getwittert wird. Mehr dazu bei techcrunch.

Anhören kann man sich die Voicemails bei speak2tweet. Ich bin fasziniert und begeistert! Hier bekommt man so hautnah wie noch nie direkte Statements von Menschen aus dem Krisengebiet, nachdem die Regierung versucht hat, genau dies zu verhindern. Und es sind nicht nur geschriebene kurze Texte, sondern echte Stimmen von echten Menschen. Reporter könnten niemals so viele und vor allem derart offene Statements von Leuten einfangen. Mit diesem Kanal können die Menschen in Ägypten der Welt anonym und ohne von Reportern aufgesucht werden zu müssen, berichten, was sie sehen, was sie denken und wie sie sich fühlen. Künftige Historiker werden sich einen Ast freuen, wenn sie solche Dokumente haben, da bin ich mir sicher. Man kann über Google sagen, was man will, aber hier finde ich: Respekt-Punkte verdient!


Cyber-Aktivismus: User-Kommunikationsoffensive für Ägypten

http://www.flickr.com/photos/dnorman/4206855546/

Foto: D`Arcy Norman/flickr

Von: Skirter

Der Cyberkrieg tobt weiter: Das Internet als grenzenübergreifende Informationsplattform, die sich – im Gegensatz zu Presse und Redaktionsgebäuden – weder zensieren, einschüchtern oder in die Luft sprengen lässt, wird mehr und mehr zum Symbol der Meinungsfreiheit und Plattform von erbitterten Machtkämpfen zwischen den „Großen“ (Regierungen, Konzernen) und „Kleinen“ (Usern). Der Internet-Shutdown in Ägypten war der tyrannische Versuch einer totalitären Regierung,  eine ganze Nation von der Außenwelt abzuschneiden. Vorher griffen bereits die burmesische und nepalesische Regierung zu diesem Mittel, wie bei informationweek nachzulesen.

Kann man nix machen? Oh doch! Der Mensch lässt sich nicht den Mund verbieten, so sehr manche Regierungen sich das auch wünschen. Egal, wie rigoros und brutal die Mittel auch sein mögen, es gibt immer einen Weg: So haben sich auch im Internet Aktivisten zusammen gefunden, die den Ägyptern Kommunikationsmittel zur Verfügung stellen. Telecomix und Anonymous sind lockere, denzentrale Gruppierungen anonymer User ohne Führungspersonen, die per IRC und Wikis untereinander kommunizieren und kaum greifbar sind. Sie informieren die Ägypter über weitere Kommunikationsmöglichkeiten und stellen Chatrooms und andere Kanäle zur Verfügung, berichtet die Huffington Post. Wir sind gespannt, welche Ausmaße der Krieg ums und im Netz noch annehmen wird.



Mit Kanonen auf Spatzen schießen – FBI und UK verhaften Anonymous-User

Von: Edge

 


Wie das FBI in einer Pressemitteilung veröffentlichte, wurden in einer groß angelegten Aktion 40 Aktivisten im Zuge der Untersuchungen der „Operation Payback“ verhaftet. Dies folgte auf fünf Verhaftungen in England, die am Tag zuvor unternommen wurden. Man kann diese Verhafutngen getrost unter „Einschüchterung“ verbuchen; es werden außerdem auch wieder besorgnisserregende Zeichen sichtbar, welche Prioritäten Regierungen bei der Wahrung von Bürgerrechten sehen und welchen Einfluss private Konzerne auf Regierungen ausüben. Es fällt weiterhin unangenehm auf, dass es bislang im Gegenzug keine einzige Verhaftung bei den gleichen Attacken auf Wikileaks gab. Anonymous hat in einer Pressenachricht auf die Verhaftungen reagiert; zu Recht verweisen sie darauf, dass DDoS-Attacken – letzten Endes auch nur normale Zugriffe auf Webseiten, vielfach potenziert – mitnichten Straftaten sein sollten, sondern lediglich eine neue Form des zivilen Ungehorsams und Protests darstellen. Auch sind sie deutlich von Hackerangriffen zu unterscheiden, was die Mainstream-Medien leider sehr oft durcheinanderbringen.

Es lohnt sich die Entwicklung weiter zu beobachten, denn besonders auf diesem juristisch wenig erforschten Boden, bei dem das Verständnis zu der Thematik oftmals ganz klar an Generationslinien verläuft, wird sich das Demokratieverständnis unserer Regierungen am deutlichsten zeigen.


transmediale.11 – Festival für digitale Kunst und Kultur in Berlin

Von: Skirter

http://www.flickr.com/photos/transmediale/5247618538/sizes/m/in/set-72157625565334372/

Quelle: transmediale / flickr

Dieses Festival wird wohl die Herzen aller Medien- und Elektronikkunst-Freaks höher schlagen lassen: die transmediale.11. Wer sich jetzt angesprochen fühlt und nächste Woche Zeit hat, sollte also unbedingt nach Berlin fahren. Die Veranstalter haben sich vom 1. bis 6. Februar ganz den „radikalen Veränderungen unseres digitalen Zeitalters“ verschrieben und präsentieren „einzigartige Kunstwerke, spektakuläre Live-Performances und einschlägige Theoretiker.“

Aus der Pressemeldung:

„Mit dem Titel RESPONSE:ABILITY ruft die transmediale.11 zur gemeinsamen Reflexion darüber auf, wie wir heute mit und im Internet leben. Das Netz als gesellschaftliche Handlungszone wird immer mehr zu einer umkämpften Ressource.

Rund 170 Künstler, Wissenschaftler und Medienaktivisten gestalten vor diesem Hintergrund im Haus der Kulturen der Welt und an 20 weiteren Satellitenorten eine interdisziplinäre Plattform mit Kunstwerken, Vorträgen, Performances, Workshops und Screenings.“

Das Programm klingt auf jeden Fall sehr vielversprechend:

– die HacKaWay Zone „bringt prozessbasierte und performative Kunstwerke in einer Halle zusammen, die von Interaktivität und Partizipation lebt“

– die Konferenz BODY:RESPONSE – Biomediale Politik im Zeitalter der digitalen Liveness beschäftigt sich mit folgender Frage: „Jetzt, hier und zugleich online zu sein verändert dabei die Art und Weise wie wir wahrnehmen und handeln, beziehungsweise wie wir miteinander umgehen und zusammenarbeiten; es verändert unser Verständnis von Körperlichkeit und Präsenz als Individuum und in der Gemeinschaft. Welche Auswirkungen hat dieser hybride, transformale Zustand der digitalen Liveness auf die Identitätskonzepte unserer Gesellschaft?“

– an den „Schnittstellen zwischen Realwelt und Mediensphäre, zwischen Liveness und Reproduktion, zwischen Virtuellem und Physischem bewegt sich das diesjährige Performanceprogramm der transmediale“, die LIVE:RESPONSE

SyncExistence zeigt 58 Filme und Videos aus 28 Ländern

Im Archiv gibt es Videos vergangener Festivals – die Macher haben sich auch nach dem Event wirklich Mühe gegeben, das Ganze aufzubereiten, das muss man ihnen lassen.  Schade, dass ich nicht dabei sein kann, aber ich denke, es lohnt sich! Tickets gibt es für Einzelveranstaltungen ab 5 Euro, 25 Euro kostet der Tagespass und wer das gesamte Festival besuchenb will, zahlt 80 Euro (Ermäßigungsberechtigte weniger).

Sortiere das Programm nach:

transmediale.11 Satellites



Ironie des Jahres 2010

Von: Edge

Leider allzu wahr. Diese Meldung ist zwar nicht mehr gerade taufrisch, der obige Cartoon dafür schon: Das Bild spielt auf die umstrittene Wahl des TIME-Magazins des von manchen Seiten bewunderten und von anderen kritisierten Facebook-Gründers Mark Zuckerberg zum „Man Of The Year 2010“ an. Der Titel wird jedes Jahr vom TIME-Magazin an die Person verliehen, die die meisten Schlagzeilen produziert hatte. Dass TIME durchaus kontroverse Entscheidungen trifft, bewies es schon 1938 und 1939 (jeweils Hitler und Stalin) sowie 1972 (Nixon während der bereits angelaufenen Watergate-Prozesse). Doch 2010 spielte es auf Nummer sicher – für viele, unter anderem für uns von Skirt The Edge, eine Enttäuschung.


Vanity Fair-Artikel zur Zusammenarbeit zwischen Wikileaks und The Guardian

Von: Edge

In der Februarausgabe von Vanity Fair, deren Inhalte jetzt schon online sind, ist ein spannender Artikel erschienen, zur Geschichte der Zusammenarbeit zwischen Wikileaks und der britischen Zeitung The Guardian, die mehr als jede andere Publikation die Aufarbeitung der von der „Whistleblower“-Organisation forcierten. Außerdem führt der Artikel höchst lesbar die Hintergründe zwischen der Zusammenarbeit mit den anderen vier Medienhäusern auf, die zuvor Zugang zu den Depeschen hatten – der New York Times, Spaniens El Pais, Frankreichs La Monde und DER SPIEGEL.

Wer etwas Zeit für den cool geschriebenen sechsseitigen Artikel mitbringt, wird mit viel Hintergrundwissen zu sowohl der Guardian selbst, wie auch der unsteten und bisweilen stürmigen Kooperation zwischen der altehrwürdigen, aber streitbaren Bastion des traditionellen Journalismus und der gerade mal vier Jahre alten, digital-dezentralen Organisation belohnt.


Wikileaks – ein kurzer historischer Vergleich: Teil 1

Von: Edge

Während der mediale Hype um Julian Assange in die nächste, etwas unspektakuläre Runde geht, ist es wichtig sich daran zu erinnern, welche Rolle Wikileaks spielt – die Plattform also, um die es eigentlich geht. Es ist haufenweise echte und digitale Tinte verschwendet und viel heiße Luft geblasen worden, ob nun Julian Assange und sein Team mit Wikileaks unverantwortlich oder zivilcouragiert handelt, indem es über 200.000 geheime Depeschen amerikanischer Botschaften zuerst ausgewählten Medien zur Verfügung stellte und schließlich weltweit öffentlich machte. Das Resultat ist bekannt: Womöglich auf Druck bzw. „Anraten“ der US-Regierung und einzelnen hochrangigen Politikern, kickten nacheinander Paypal, EveryDNS, Amazon, Visa und Mastercard die Seite von ihren Servern, machten Zahlungen zu Wikileaks unmöglich oder froren bereits gezahlte Gelder ein (Paypal hatte kurz später allerdings diese eingefrorenen Gelder wieder freigegeben). Rechtskonservative US-Kommentatoren riefen unverblümt zum Mord auf, wie von Noam Chomsky und weiteren Autoren in einem offenen Brief an die australische Premierministerin dokumentiert. Erfreulicherweise hat ein Großteil der Presse, deutsch wie international, FÜR den Erhalt von Wikileaks Stellung bezogen. Die Gründe für den medialen Support sind in drei historischen Fällen zu finden, die heute als große Würfe des investigativen Journalismus und als Triumphe der Pressefreiheit gefeiert werden: die Pentagon Papers, die SPIEGEL-Affäre und, natürlich, der Watergate-Skandal. In diesem und zwei weiteren Folgeposts werden wir diese Fälle kurz beleuchten.

Die Pentagon Papers

Karte von Indochina

Die Pentagon Papers sind eine Sammlung militärischer Dokumente, die detalliert US-amerikanische Pläne zur militärischen Involvierung in Indochina während und nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentieren, erstellt vom Pentagon unter den drei amerikanischen Präsidenten dieser Zeit: Harry Truman, John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson. Sie belegten, dass die Vereinigten Staaten entgegen der Beteuerungen seiner Staatsoberhäupter schon lange eine Invasion plante, und durch Intrigen und Manipulation forcierte. Sie belegten außerdem, dass das Pentagon den Krieg für verloren erachtete, und straften somit der öffentlichen Aussagen von Verteidigungsminister Robert McNamara Lüge.

Die geheimen Dokumente wurden von Daniel Ellsberg, einem Analysten im Verteidigungsministerium von Robert McNamara, in massivem nächtlichen Aufwand mithilfe seiner Kinder kopiert und schließlich der New York Times und der Washington Post zugespielt. Die erste Veröffentlichung löste eine verfassungsrechtliche Krise in den Staaten aus, in Form eines Angriffs auf die Pressefreiheit – eine Krise, die schließlich in einer bemerkenswerten und vielbeachteten Entscheidung des Supreme Courts zugunsten der New York Times und der Washinton Post aufgelöst wurde. Beide Blätter veröffentlichten weitere Artikel, und der amerikanischen Öffentlichkeit wurde zum ersten Mal bewusst, wie sehr die Regierung sie hinters Licht führte. Ellsberg, juristisch und politisch verfolgt, tauchte erst bei Sympathisanten unter, stellte sich aber dann doch öffentlich der US-Justiz, im Glauben, den Rest seines Lebens im Gefängnis sitzen zu werden. In der folgenden gerichtlichen Auseinandersetzung kritisierte allerdings der zuständige Richter die US-Regierung scharf und sprach anschließend Ellsberg von allen Anklagepunkten frei. Noch heute setzt sich Ellsberg für Transparenz und Pressefreiheit ein und bleibt ein streitbarer Kommentator.

Die Affäre erhöhte den Paranoia-Level der US-Regierung dermaßen, dass sie zwanghaft nach möglichen Lecks fahndete, und sich schließlich zum Einbruch bei politischen Gegnern herabließ. Die Bekanntwerdung des Einbruchs und die dazugehörigen Hintergründe gehört zu den berühmtesten politischen Skandalen der Neuzeit, und wieder spielte ein Leak die geheime Hauptrolle.

In Teil 2: Watergate und der „Deep Throat“.