Von: Edge
In Teil 1 haben wir den einschneidenden Fall des Daniel Ellsberg und der Pentagon Papers beschrieben. Das resultierende juristisch-politische Drama, das dieses Leck verursachte, senkte die Hemmgrenzen der US-Regierung unter Nixon dermaßen, dass auch vor Einbruch nicht mehr zurückgeschreckt wurde, um politische Gegner auszuspionieren und an Informationen zu dessen vergangenen und zukünftigen Aktivitäten zu gelangen. Doch es kam ganz anders.
Der Watergate-Skandal
Der Watergate Bürokomplex (Record Group 21: Records of District Courts of the United States, 1685 – 1991; NARA, College Park, MD.)
Der Skandal, der von der Washington Post maßgeblich öffentlich gemacht wurde und die eine exzellent Übersicht über die Geschehnisse im Netz stehen hat, begann mit einer mittelgroßen Meldung in der Post: Am 18. Juni 1972 waren fünf Männer festgenommen worden, die in der demokratischen Wahlkampfzentrale im Watergate Bürokomplex versucht hatten, Tonaufnahmegeräte zu installieren. Dabei hatten sie professionelles Equipment und Bargeld im Wert von über $ 2.300 mit aufeinanderfolgender Registrierungsnummern dabei.
Sichergestelltes Abhörequipment (Record Group 21: Records of District Courts of the United States, 1685 – 1991; NARA, College Park, MD.)
Die Story erregte die Aufmerksamkeit zweier junger Reporter von der Washington Post, Bob Woodward und Carl Bernstein, die von Quellen in der Polizei über eben diese Professionalität erfuhren und entschieden die Sache weiter zu verfolgen. Schnell stellte sich raus, dass einer der Verhafteten, James McCord, Teil des Stabs von Präsident Richard Nixon war. In den darauffolgenden Wochen veröffentlichten die beiden Journalisten eine Reihe von sensationellen Artikeln, die ein dichtes Intrigengeflecht beschrieben – unter anderem fanden sie heraus, dass:
- Ein Scheck im Wert von $ 25.000 aus Nixons Wahlkampfkasse auf ein Bankkonto einer der Einbrecher deponiert war
- Der Oberste Staatsanwalt John Mitchell ein geheimes Spesenkonto zur Finanzierung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen über die Demokraten unterhielt
- Nixons Berater eine groß angelegt Kampagne zur politischen Spionage und Sabotage des demokratischen Gegners im Wahlkampf angezettelt hatten
Entscheidend für die Ermittlungen von Woodward und Bernstein war eine hohe Quelle aus dem Regierungsapparat, der gebeten hatte anonym zu bleiben und den Woodward in der Öffentlichkeit wegen seiner tiefen Stimme nur als „Deep Throat“ bekannt machte. Deep Throat lieferte den Reportern von der Post in geheimen Treffen Hinweise, welche Spur sie weiterverfolgen sollten und bestätigte und verneinte Informationen, die Woodward und Bernstein von anderen Quellen zugetragen bekommen hatten. Die Artikel, die in der Post erschienen, flankierten zwei große juristische Untersuchungen, die die Gerichte zwei Jahre beschäftigen sollten. Während der gesamten Berichterstattungszeit war die Washington Post, die als einziges Medium diese Story verfolgte, massivem Druck seitens der Regierung ausgesetzt; Herausgeberin Katherine Graham monierte die unverhohlenen Drohungen und Belästigungen der Nixon-Administration, blieb aber beharrlich.
Nach Nixons Wiederwahl weitete sich die Affäre zu einem riesigen Skandal aus, und auch hier setzte sich ein unerschrockener Richter mit ungewöhnlichen Methoden und messerscharfem Verstand für die Aufklärung ein: John Sirica befragte die Zeugen selbst, statt dies den Anwälten zu überlassen, und bat die Jury nicht nur die reinen Fakten zu berücksichtigen, sondern Hinter- und Beweggründe zu bedenken. Die Beschuldigten versuchten durch Schuldgeständnissen und anschließendem Schweigen ihre Strippenzieher in der Regierung zu schützen, doch die Wende kam, als der bereites oben erwähnte Beschuldigte James McCord Richter Sirica einen Brief schrieb und detalliert ausführte, dass politischer Druck auf die Angeklagten ausgeübt wurde, um unter anderem:
- sich schuldig zu bekennen und anschließend zu schweigen, um eben die Auftraggeber in den Regierungsstellen zu schützen
- Meineid über Struktur und Organisation des Falls der Regierungsseite sowie deren eigenen Motive begehen
- Weitere Involvierte nicht zu benennen, obwohl dies gefordert war.
Der Brief con JamesMcCord an Richter Sirica (Letter from James W. McCord, Jr., to Judge John Sirica, March 19, 1973, filed in: United States v. George Gordon Liddy, et al., C.R. 1827-72, United States District Court for the District of Columbia; Records of District Courts of the United States, Record Group 21; NARA, College Park, MD.)
Wen die detalliertere und spannende juristischen Aufarbeitung interessiert, die Gerald R. Ford Library hat eine anschauliche Chronik im Netz.
Der Ausgang des ganzen Skandals ist bekannt: Um einem Machtenthebungsverfahren und den resultierenden Gesichtsverlust für die Vereinigten Staaten vorzukommen, trat Richard Nixon als erster und bislang einziger Präsident am 9. August 1974 von seinem Posten zurück. Fünf der sieben Angeklagten erhielten Gefängnisstrafen und John Sirica wurde vom TIME-Magazin zum Mann des Jahres 1974 gekürt. Carl Bernstein und Bob Woodward, die den Skandal journalistisch begleiteten und maßgeblich zu seiner Bekanntmachung und Verbreitung in der Öffentlichkeit beitrugen, hatten den Grundstein für ihre illustre Journalistenkarriere gelegt. Zwei Jahre nach Nixons Rücktritt wurde ihr Wirken in der exzellenten, Oscar-prämierten Hollywoodproduktion „All The President’s Men“ mit Robert Redford und Dustin Hoffmann in den Hauptrollen verfilmt.
Das Rücktrittschreiben von Nixon
Auch Jahrzehnte nach dem politischen Erdbeben in den frühen Siebzigern weiß der Fall zu faszinieren. Die letzte Sensation, die der Fall bereit hatte, äußerte sich im Jahre 2005, als der als „Deep Throat“ bekannt gewordene Leaker seine Identität in einem Vanity Fair-Artikel preisgab, 33 Jahre nach der Artikelserie in der Washington Post: Es war niemand Geringeres als Mark Felt, seinerzeit stellvertrender Direktor und somit Nummer zwei in der Hierarchiebene der bundespolizeilichen Ermittlungsbehörde des Justizministeriums – besser bekannt als FBI.
In letzten Teil beschäftigen wir uns mit einem deutschen Fall, der seinerzeit die Medienlandschaft erschütterte und als erste ernsthafte Prüfung für die noch junge BRD darstellte: Die SPIEGEL-Affäre.